Beratungssetting zu Bedürfnissen
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Eine 48-jährige Frau sitzt mir gegenüber. Ihr Blick ist nachdenklich, ihre Stimme leise, als sie beginnt, von den Veränderungen in ihrem Leben zu erzählen. Die Kinder sind ausgezogen, das Haus, das einst voller Lachen und Leben war, ist still geworden. Sie fühlt sich verloren. „Es fühlt sich an, als wäre meine Aufgabe im Leben erledigt“, sagt sie. „Ich frage mich oft, ob das jetzt alles war.“
In meiner Rolle als Beraterin höre ich zu, wie sie die Leere beschreibt, die plötzlich in ihr Leben getreten ist. „Früher war immer etwas los – Hektik, Verantwortung, aber auch viel Freude. Jetzt ist es ruhig. Ich fühle mich, als wäre ich nicht mehr gebraucht.“ Ein Satz, der mich immer wieder berührt, wenn Menschen an einem solchen Wendepunkt in ihrem Leben stehen.
Ich schlage vor, mit Bedürfnisarbeit eine neue Perspektive zu finden. Ein Ansatz, der hilft, innere Bedürfnisse zu erkennen, die in ihrem bisherigen Leben vielleicht unbemerkt erfüllt wurden, nun aber leer geblieben sind. Ich lege ihr eine Auswahl von Karten vor, auf denen verschiedene Bedürfnisse verzeichnet sind, und bitte sie, jene auszuwählen, die sie aktuell am meisten ansprechen.
Langsam und überlegt geht sie die Karten durch. Schließlich legt sie fünf Karten beiseite: Freude, Lebendigkeit, Gemeinschaft, Kreativität und Selbstwirksamkeit. Sie seufzt. „Diese scheinen mir gerade wichtig“, sagt sie.
Wir beginnen mit Freude. Sie spricht davon, wie sie früher Freude in den kleinen Momenten des Familienlebens gefunden hat – das Lachen ihrer Kinder, gemeinsame Erlebnisse. Jetzt sei diese Leichtigkeit verschwunden. „Es fühlt sich an, als hätte ich verlernt, wie ich Freude in mein Leben hole.“
Das Gespräch wechselt zur Lebendigkeit. „Ich fühle mich oft so leer“, sagt sie. Früher schöpfte sie Energie daraus, für ihre Kinder da zu sein, doch jetzt fehlt diese Quelle. Es ist, als sei ein wichtiger Teil von ihr verschwunden. Diese Aussage wirft ein Licht auf den tiefen Einschnitt, den diese Phase für viele bedeutet, wenn die zentrale Rolle als Elternteil neu definiert werden muss.
Beim Thema Gemeinschaft wird deutlich, dass sie sich isoliert fühlt. „Ich habe das Gefühl, dass ich niemanden mehr um mich habe.“ Ihre Familie, einst ihr engster Kreis, hat sich verändert. Es ist klar, dass sie nun nach neuen Formen der Zugehörigkeit sucht – nach einem Umfeld, in dem sie sich austauschen und neue Erlebnisse teilen kann.
Kreativität war einst ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Sie erinnert sich daran, wie sie früher oft gemalt und gebastelt hat, vor allem als ihre Kinder noch klein waren. „Das habe ich lange nicht gemacht, aber es hat mir immer so viel bedeutet.“ Ein Bedürfnis, das auf den ersten Blick trivial erscheint, doch es ist ein Ausdruck von Selbstentfaltung und innerer Balance.
Schließlich kommen wir zur Selbstwirksamkeit. Es wird klar, dass sie sich danach sehnt, wieder etwas in der Welt zu bewirken – etwas, das ihr das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. „Ich will wieder das Gefühl haben, dass ich etwas bewirken kann.“
„Diese Bedürfnisse“, sage ich, „sind wie Wegweiser. Sie zeigen dir, was dir im Moment fehlt und was du wieder in dein Leben integrieren kannst.“ Gemeinsam beginnen wir, konkrete Schritte zu erarbeiten. Vielleicht ein neues Hobby, das Freude bringt. Der Aufbau einer neuen Gemeinschaft oder kleine Projekte, die ihre Kreativität und Selbstwirksamkeit fördern.
Am Ende der Sitzung sehe ich, wie sich etwas in ihr verändert hat. Ihre Haltung ist etwas aufrechter, ihre Augen ein wenig klarer. „Es fühlt sich gut an, dass ich das selbst in die Hand nehmen kann“, sagt sie. „Es gibt noch so viel, was ich tun und erleben kann. Das war noch lange nicht alles.“
Durch die Arbeit mit den Bedürfnissen hat sie eine neue Perspektive gewonnen. Sie hat erkannt, dass es nicht darum geht, dass ihr Leben vorbei ist, sondern dass ein neuer Abschnitt beginnt – einer, den sie selbst gestalten kann.